Matthias Horx

15½ Regeln für die Zukunft

Zukunft, sagt der deutsche Trendforscher Matthias Horx, »ist in Wahrheit Selbstverwandlung«. Damit die auch gelingt, hier seine 15½ Regeln für die Zukunft.

1 HÜTE DICH VOR FUTURE BULLSHIT!

Konkret sollten bei Sätzen wie »In einer Zeit des sich immer weiter beschleunigenden Wandels ...«, »Nie lebten wir in einer Ära
mit so großen Umbrüchen ...«, oder ebenfalls stets gerne genommen: »Der rasend schnelle Wandel, der auf uns zukommt ...« sofort die Alarmglocken klingeln. Gegenwartseitelkeit nennen das Experten. Stehen Sie auf und schreien Sie laut: »Bullshit!« Sie
werden es sich wahrscheinlich nicht trauen, aber wenn sie es tun, wird der Effekt ein nachhaltiger sein. Nicht nur bei Ihnen.

2 JEDER TREND ERZEUGT EINEN GEGENTREND.

Die Logik von Trend und Gegentrend entstammt einem universellen Prinzip, das sich schon von der Physik ableiten lässt: dem
Gesetz der fraktalen Entfaltung. Wenn wir demnach einen Gummiball auf den harten Boden werfen, springt er wieder nach
oben. Kraft und Gegenkraft sind elementare Gesetze des Universums. Und so funktioniert auch »die Welt« als Ganzes.

3 DAS ALTE KOMMT IMMER WIEDER – UND ERNEUERT SICH DABEI SELBST.

Die Zukunft kommt nicht in geraden Linien, sondern in Schleifen und Spiralen. Unser Hirn neigt jedoch dazu, einerseits linear zu denken, andererseits zu polarisieren. Das liegt daran, dass wir durch Komplexität und Vielschichtigkeit schnell überfordert sind.

4 VERTRAUE AUF NATÜRLICHE INTELLIGENZ (NI), ANSTATT DICH VOR KÜNSTLICHER INTELLIGENZ (KI) ZU FÜRCHTEN.

Künstliche Intelligenz mag vieles können, aber sie kann uns nicht das Kognitive unserer natürlichen Intelligenz abnehmen. Oder, um es mit den Worten von Jack Ma, Gründer der größten Internetfirma der Welt, Alibaba, zu sagen: »Lehre und lerne, was die Maschinen niemals können. Lerne Werte, unabhängiges Denken, Kunst, Einzigartigkeit, Glauben, Teamwork und die Zuneigung zu anderen.«

5 BEGREIFE DIE WAHRE CO-EVOLUTION VON TECHNIK UND MENSCH.

Würdevolle Technologie ist jene Technik, in der wir als nichtperfekte Wesen vorkommen. Ihr Prothese-Effekt ist gering, sie gibt uns etwas hinzu. Gleichzeitig fordert sie uns heraus, uns in Richtung Selbstkompetenz zu bewegen. Das erfordert allerdings auch unsere aktive Beteiligung an der Auseinandersetzung zwischen Technik und Mensch: so etwas wie humantechnische Emanzipation.

6 ERKENNE DEN WAHREN SINN VON VISIONEN.

Visionen sind Beziehungsarbeit mit der Zukunft. Wenn wir eine Vision »umsetzen«, bedeutet das nicht, dass wir sie »befolgen«. Wir tasten uns an eine neue Wirklichkeit heran. Visionen haben kein Reißbrett und auch keinen großen Plan. Sie entstehen eher durch einen Prozess der bewussten Variation und Auswahl. Versuch und Irrtum, die aber in eine bestimmte Richtung weisen.

7 VERWECHSELE DICH NICHT MIT DEINER ANGST.

Denken Sie an Jim Knopf und Lukas im zweiten Band. Da fliegen die beiden mit einem selbstgebastelten Supermagneten über die Gipfel – entgegen allen Naturgesetzen. Aber genau so verhält es sich mit unserer Angst. Das Leben ist tatsächlich eine Art Perpetuum mobile; und Angst kann dazu dienen, sich aus dem Sumpf der Angst zu befreien. Erst wenn wir das verstehen, setzen wir diesen sagenhaften, wunderbaren Magnetismus in Kraft, der uns zurück in die Zukunft bringt.

8 LERNE, AUS DER ZUKUNFT HERAUS ZU DENKEN.

Zukunft entsteht nicht, wenn wir Probleme »lösen«, sondern wenn wir Probleme auflösen, indem wir unsere inneren Konzepte verändern. Die Welt-Regel lautet dabei, dass Probleme nichts anderes sind als Systemkonflikte, die sich in der jetzigen Komplexität nicht lösen lassen. In einer späteren aber schon.

9 STELLE BESSERE FRAGEN, STATT DIE RICHTIGEN ANTWORTEN ZU VERLANGEN.

Wie hat es der Zen-Autor Shunryu Suzuki formuliert? »Das Bewusstsein des Fragenden ist leer; frei von den Gewohnheiten des Experten.« Gute Fragen fokussieren unseren Geist auf das, was wir noch nicht wissen, sie öffnen das Wahrnehmungsfeld, das vor uns liegt. Sie stellen wieder eine Verbindung her zwischen der dynamischen Wirklichkeit und uns selbst. Antworten sind nicht so wichtig. Die kommen später, wenn es so weit ist.

10 BEFREIE DICH VON ZUKUNFTS-SCHULD.

Seit es Menschen gibt, gilt: Die Welt steht vor dem Abgrund. Das war schon immer so. Die frühere Schauspielerin Mae West gab mal zu, sie habe sich lange für ihren Lebenswandel geschämt. Auf die Frage, ob sie sich daraufhin gebessert habe, antwortete sie: »Ja, ich schäme mich nicht mehr.«

11 VERSÖHNE DICH MIT DER NEUEN WELT(UN)ORDNUNG.

Zu den merkwürdigen, aber auch faszinierenden Eigenschaften des Menschen gehört es, ständig nach »Weltordnungen« zu suchen, obwohl ihm die »Welt« eigentlich ziemlich egal ist. Wir sehnen uns nach einem Bild, einem Konstrukt, mit dessen Hilfe sich »das Ganze« erklären lässt. Das Schwierigste ist nicht, die Zukunft zu verstehen, sondern die Vergangenheit loszulassen. Das, was uns verunsichert, endlich als normal zu betrachten. 

12 SCHLIESSE FRIEDEN MIT DER UNGLEICHHEIT IN DER WELT.

Die Welt ist ungleich, aber nicht unbedingt unfair. Aus Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten entstehen neue Dynamiken, die Menschen zum Wachsen bringen. Dafür wollen wir sorgen!

13 ERTRAGE, DASS DIE WELT LANGSAM BESSER – ABER NIEMALS »GUT« SEIN KANN.

Es ist das Problem der gelösten Probleme. Je besser wir etwas beherrschen und kontrollieren, desto größer wird die Angst vor dem Kontrollverlust.

14 ÜBERWINDE PESSIMISMUS UND OPTIMISMUS – WERDE POSSIBILIST!

Geben Sie das Hin- und Hertaumeln zwischen Optimismus und Pessimismus auf. Beides sind im Grunde verengte Welthaltungen, die uns auf Dauer unglücklich machen. Wenden Sie sich einer Zukunftshaltung zu, die Hans Rosling als »Possibilismus« bezeichnete: die Welthaltung des Möglichen.

15 ZUKUNFT ENTSTEHT DURCH GELUNGENE BEZIEHUNG(EN).

Um es mit den Worten von Teilhard de Chardin zu sagen: »Wir sind nicht menschliche Wesen, die eine spirituelle Erfahrung machen. Wir sind spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen.« Inneres Wachstum bedingt äußeres Wachstum und führt uns so in die Zukunft.

15½ ZUKUNFT IST EINE ENTSCHEIDUNG. ZUM SCHLUSS EIN GEHEIMNIS.

Es gibt gar keine Zukunft. Jedenfalls keine, die man »voraussagen « oder »prophezeien« kann. Die Welt kann nicht neu werden, wenn wir uns nicht selbst erneuern. Es liegt an uns.

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